20.10.2015 - Legendäre Projekte – Erster Teil
Was ist ein legendäres Projekt bzw. wann wird ein Projekt legendär? Der Autor meint damit Projekte, die irgendeine Besonderheit haben/hatten, die sie aus der Fülle an Projekten herausragen lässt, so dass sich Projektbeteiligte auch nach Jahren noch Geschichten und Anekdoten aus diesen Projekten am Lagerfeuer oder abends auf Consulting-Treffen gegenseitig erzählen. Versuchen wir, dies näher zu ergründen und ein paar Beispiele zu geben, was der Grund sein kann, legendär genannt zu werden …
Ein Projekt war mit amerikanischen Kollegen bei einem Kunden in der Nähe von Heidelberg. Hier waren Unterbringung und Abendaktivitäten derart im Vordergrund, dass sie alles, selbst das an sich nicht gut funktionierende Projekt, komplett übertönten. Dies mag vor allem an den Verlockungen Heidelbergs liegen mit Kneipen von sprechenden Namen wie „Betreutes Trinken“ etc. Oder auch an den Gastwirten, die sich derart über die ersten Stammgäste freuten, dass sie sich mehr als fürsorglich um diese kümmerten, was ich bisher in ähnlicher Form in Deutschland noch nie erlebt habe. Vielleicht aber auch an der Kooperation mit den amerikanischen Kollegen, die natürlich deutschem Bier gegenüber extrem aufgeschlossen waren. Am Ende des Tages hat sich aber alles ausgezahlt auch für die Wirtsleute, so dass sie inzwischen einem florierenden Unternehmen vorstehen.
Ein anderes Projekt war von den Vorraussetzungen her eine teuflische Mischung aus: einem Softwarehersteller mit wirklich neuem Release (erstes paralleles Release mit entsprechender Komplexität), einem Partner, der noch nie mit der Software gearbeitet hatte (auch nicht mit Vorgängerreleases) und einer harten Timeline, bedingt durch die gesetzlichen Anforderungen an eine zeitnahe Umsetzung. Es gab also ein komplett neu zusammengewürfeltes Team aus teilweise Spezialisten, die aber alle in der Materie an sich noch nie zusammengearbeitet hatten. Hier war das Erfolgsrezept eindeutig der im Projekt gemeinsam verteilte Schweiß der wichtigsten Beteiligten. Zudem wurden hier, um den fast gesundheitlich ungesunden Anforderungen gerecht zu werden, Dinge eingeführt, die auch nach 15 Jahren noch Bestand haben, z.B. die Einführung eines „Bibelkreises“, d.h. eines Treffens von neuen und erfahrenen Spezialisten, die sich über die Technik gemeinsam unterhalten könnten, dies aber lieber in feuchtfröhlicher Runde mit anderen Themen erledigen.
Ein weiteres Beispiel war das erste eigene Projekt mit Offshoring-Ressourcen. Es handelte sich hierbei um ein Migrationsprojekt, das wie üblich anfangs viel zu schleppend gestartet und geplant wurde und dann plötzlich von jetzt auf gleich durchgeführt werden sollte. Eine Eigenheit von Migrationen ist, dass diese häufig mit dem Chinesen-Prinzip erschlagen werden sollen, d.h. mit einfach viel mehr Leuten durchgeführt werden sollen, um die ursprüngliche Timeline noch irgendwie einhalten zu können. Wir hatten keine andere Chance, als dies mit Hilfe von Offshoring und Onsite in Kombination anzugehen. Da wir aber keine für den Kunden preislich akzeptablen internen Offshore-Kollegen anbieten konnten, mussten wir auf einen externen Offshoring-Partner zurückgreifen. Wir haben daher immer einen deutschen „Lead Developer“ oder „Architekten“ für jeweils ein paar Wochen vor Ort gehabt, um die Offshoring-Kollegen zu überprüfen. Unsere US-Kollegen meinten zwar, dies sei kein Offshoring, wir würden „cheaten“, aber der Erfolg rechtfertigt die Mittel. Ohne diese Überwachung vor Ort wären wir mit den Shadow-Ressourcen und Arbeitsergebnissen niemals zurecht gekommen. Des Weiteren musste hier nach anfänglichen Schwierigkeiten eine aufwendige und sehr stringente Projektleitung und Steuerung etabliert werden. Erst dadurch war der Erfolg des Projektes möglich. Am spannendsten waren und sind aber auf jeden Fall die Erlebnisse der „Überwacher“ vor Ort in Indien, aber davon sicherlich im Schwesterblog mehr …
Einige der angesprochenen Projekte mögen sich im Schwesterblog beleuchtet aus einer anderen Wahrnehmung wiederfinden, hier sollte die Besonderheit, was die Projekte ausgemacht und legendär gemacht haben, im Vordergrund stehen. Was auch immer die Besonderheit der Beispiele war, ich bin mir sicher, dass wir auch in Jahren noch darüber sprechen werden.